K.I.Z. – „Urlaub Fürs Gehirn“ (Review)

Man stelle sich Deutschrap als Klassenzimmer vor. Die vorderen Reihen besetzt von fleißigen, engagierten Strebern mit schulischer Vollausstattung, dahinter die coolen Möchtegern-Gangster, die mit den Gedanken schon vor dem ersten Läuten außerhalb des Klassenzimmers sind und schließlich die letzte Reihe, in welcher die Jungs von K.I.Z. Platz gefunden haben. Vom Lehrer auserkorene Vorzeige-Pfosten, kann sich der Rest der Schülerschaft nicht entscheiden zwischen bedingungslos lustig und anbiedernd dämlich. Damit wäre man in etwa an dem Punkt angelangt, an dem sich K.I.Z. befinden. Wie so oft lautet die Devise ‚Liebt es oder hasst es‘, eine wirklich neutrale Meinung zu haben, scheint schwer bis unmöglich, zu sehr trifft das alles den jeweiligen Geschmack bzw. eben nicht.

So fanden sich unmittelbar nach Veröffentlichung von „Urlaub Fürs Gehirn“ einige insgesamt eher zurückhaltend bis enttäuschte Meinungen im Netz, die von zunehmend kommerzielleren Pfaden der Berliner Jungs berichteten. Entsprechend gespannt durfte man hineinhören und wurde zunächst überrascht. Bereits der Opener ist eine K.I.Z.-typische Nummer. Derbe Sprüche, die immer wieder für Lacher sorgen, ein Beat, der von der Energie her zunächst ein wenig an die Beastie Boys erinnert und eine Hook, in der Richtig Fahrt aufgenommen wird. Gut, der direkt folgende Titeltrack begibt sich auf poppigere, leicht verdaulichere Pfade, aber auch hier wird ansonsten das gemacht, was seit Tag 1 auf der Menükarte steht, nämlich verbale Ausfahrten ins Land der lyrischen Unverfrorenheit, in der kein Blatt vor den Mund genommen wird. Siehe auch „Doitschland Schafft Sich Ab“, bei dem Alice Schwarzer wohl vor Schreck die Worte fehlen dürften.

„Raus Aus Dem Amt“ und „Der Durch Die Scheibeboxxxer“ sind sogar zu einhundert Prozent asozial und bieder, schießen damit sogar phasenweise über das Ziel heraus, wenn der Refrain zum einzigen Gegröhle ausartet. Dass ein gewisser Hang zu eingängigen Hooks und Melodien herrscht, ist in der Folge dann auch tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. „Abteilungsleiter Der Liebe“ oder „Lauf Weg“ dienen hier als Beispiele. Allerdings darf man hier keinesfalls negative Aussagen ableiten. „Fremdgehen“ ist so quasi das Paradebeispiel für leicht ins Ohr gehende Hooks, brennt sich damit aber tief in die Hirnrinde ein und zählt am Ende des Tages zu den stärksten Tracks des Albums, wenn Tarek übers Fremdgehen berichtet und einen Ohrwurm für kommende Tage inszeniert.

Wie das so mit semiprofessionellen Komikern, wie es K.I.Z. sind, ist, gestaltet sich jedoch auch die Suche nach vermutlich ernst gemeinten Aussagen und Hintergründen als spannend. In „H.I.T.“ kann man etwa Kritik an zweifelhaften Promokampagnen heraushören und „Fleisch“ ist der inhaltlich vielleicht brisanteste Track, der irgendwas zwischen Storyteller und Horrorkore-Exkurs darstellt. Ein Blick auf die Credits zeigt dabei den Namen Kevin Mann, der bürgerliche Name von Brotha Lynch Hung, dem Vorreiter in Sachen Horrorkore, der auf seinem letztjährigem Album bereits einen Titel namens „Meat“ im Aufgebot hatte. Selbst der Bonustrack namens „Biergarten Eden“ ist eine Erwähnung wert und ist eine Lobeshymne an die deutsche Heimat, das ein bisschen an WM-Songs der Vergangenheit erinnert.

„Urlaub Fürs Gehirn“ ist die konsequente Fortführung der bekannten Rezeptur, der K.I.Z. nachgehen. Lacher sind noch immer vorprogrammiert, die Sprüche noch immer kreativ wie derb und von energielos agierenden Akteuren, die es nicht schaffen, sich selbst geschweige denn das eigene Publikum zum Bewegen zu bringen, sucht man hier nach wie vor vergebens. Besonders live dürfte man künftig mit „In Seiner Mutter“ viel Freude haben. Und da bis dahin der Text ordentlich geübt sein will, bietet sich ein Kauf geradezu an. Wer das bisherige Schaffen gespannt mitverfolgt hat, der darf auch hier zugreifen, der Rest bleibt bei seiner Meinung bestehen. Fertig.

K.I.Z. – „Urlaub Fürs Gehirn“ (Review)

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