Herr von Grau – „Revue“ (Review)

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Das Musikbusiness wird, wie jedes andere Business auch, überwiegend von einer Hand voll Stereotypen besiedelt, welche zumeist kaum großartige Differenzen untereinander ausmachen und irgendwo in eine recht ähnliche Richtung lenken. Nur selten tummelt sich dazwischen etwas Exotisches, das sich nur allzu schwer kategorisieren lässt und mit seiner eigenen Note für die nötige Prise an Abwechslung und Vielfalt im Reich der Reime und Pointen sorgt. Umso erfreulicher ist es demnach, wenn man auf solche Überraschungen trifft, die den gewohnten Gang etwas auf Trab bringen. Womit wir bei Benny und Kraatz aka Herr von Grau wären.

Nach dem vielgelobten „Heldenplätze“ folgt nun eine neunzehn Stücke umfassende „Revue“, die hinsichtlich der Qualität an den Vorgänger anknüpfen möchte. Und mit dem künstlerisch durchaus ansehnlichen Artwork gelingt dies auch auf den ersten Blick hin, was jedoch noch keinerlei Aufschluss über die musikalischen Vorzüge des Albums gibt. Dafür bedarf es zunächst einem aufmerksamen Hördurchlauf, an dessen Ende man, so viel sei an dieser Stelle bereits verraten, überrascht ist.

Zunächst bildet der titelgebende Track das erste Ausrufezeichen. Eine musikalische Rundschau, die vortrefflich das ewige Auf und Ab eines jeden Menschen thematisiert und den so schwierigen Mittelweg aus Höhen und Tiefen sucht. Bereits hier verschmilzt die grandiose weil warme Instrumentalisierung mit der charakteristischen und gut wiedererkennbaren Stimme von Benny. Kalte Synthie-Gewitter sucht man hier bisweilen vergeblich und wer diese erwartet, ist hier ohnehin leicht fehl am Platze.

Weiter geht es mit der kritischen Abrechnung mit Herrn Westerwelle auf dem deutlich betitelten „Guido“. Was man vorschnell als schlichten Diss-Track bezeichnen könnte, zeugt lediglich davon, dass Bennys Gedanken und Interessen weit über das begrenzte Standardrepertoire des Blockchefs hinaus gehen. In Blüm‘scher ‚Spaß muss sein‘-Attitüde darf jedoch auch des Öfteren geschmunzelt bis gelacht werden. Klasse ist so etwa „Dicht“, dessen Unterhaltungswert auch mit erhöhter Rotation nicht wesentlich schwindet und die, den Track „Egoflash“ einleitende, Werbemaßnahme für „Egocreme“ mit der ‚Geiz ist geil‘-Stimme bekannt aus dem Fernsehen.

Im weiteren Verlauf frönt man dem „Beischlaf“ und gibt sich ganz dem ein oder anderen „Gehirnfurz“ hin, ehe man schließlich mit „Maskenball“ das nahende Ende einläutet. Nicht ohne die Erkenntnis der immer wieder auflauernden (Ent-)Täuschung mitzunehmen, getragen auf einem grandiosen Beatteppich, der seinen Teil zur allgemeinen Begeisterung beiträgt. Melancholisch bis nennen wir es minimalistisch optimistisch schließt das Album dann ab und verabschiedet sich würdig und lockt geradezu zum erneuten Hören.

Herr von Grau ist eine Ausnahmeerscheinung und untermaut dies mit „Revue“ noch einmal aufs Deutlichste. Der Sound knackig, die Reime fesselnd und gehaltvoll, greift man besonders gerne zu Herr von Grau, wenn es wieder einmal nach guten, bodenständigen deutschen Rap dürstet, der sich seine Inspiration im Alltag holt und weniger in übertriebenen Gewaltvorstellungen schwelgt. Ein Album, welches die Genießer anspricht und idealerweise als geschlossenes Ganzes konsumiert wird. Sättigend.

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Herr von Grau – „Revue“ (Review)

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