Alter Egos kennt das Rapspiel bekanntlich zuhauf. Egal ob Übersee oder im beschaulichen alten Europa, die Sehnsucht nach einem anderen Ich ist weit verbreitet. Im Falle von Flip, mit 17 aktiven Jahren als Produzent und MC der österreichischen Vorzeigegruppe Texta ein echtes Urgestein im Alpenland, kam das Alter Ego im Zuge der Unsichtbaren zu Stande, welche so manchem Ö-Rap-Fan etwas sagen dürfte. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass jenes Ego nun nicht etwa den Künstlernamen gibt, sondern den Albumtitel eines siebzehn Stücke umfassenden Werkes, dem ersten Soloalbum in Flips langjähriger Karriere. Entsprechend hat man es hier beim besten Willen nicht mit einem Newcommer zu tun, sondern einer gestandenen Größe.
So klingt auch bereits der einleitende Titeltrack. Roh und mit Blick aufs Wesentliche, dazu ein hübsch geschnittenes Sample – man spürt auf Anhieb die Erfahrungen im Bereich des Produzierens und auch die ersten Vorträge Flips hinterlassenen einen positiven Ersteindruck. Auch „Originality“ unterstreicht nochmals die Abgeklärtheit und begeistert mit einem Instrumental, in dem hörbar viel Liebe drin steckt. Ein Genuss, gerade wenn man das ganze Wochenende mal wieder nur endloses bis austauschbares Synthiegewitter auf die Ohren bekam. Getoppt wird das Alles nur noch von „Schwindelfrei“, einem positiv gestimmten Track, in dem Dinge gesagt werden wie „wir sind nicht frei von Sorgen, doch bis morgen früh bleibt das Leben süß wie Himbeereis“. Und während die einen mit dem Hintern wackeln, werden sich die anderen angesichts dieses Beats die Freudentränen aus dem Auge wischen.
Wunderbar arrangiert auch „Leere Versprechen“ mit Kayo, das sich der schwindenden Zuverlässigkeit zum Thema nimmt und dabei nicht nur auf andere blickt, sondern auch die eigenen Fehlverhalten kariert. Wieder so ein Beispiel dafür, dass Produzent und Rapper in einer Person durchaus gut funktionieren kann, woran auch nur wenige Minuten zuvor das „Large Diamond Rock“-Interlude erinnert, mit welchem Flip an drei seiner Ikonen erinnert; Large Pro, Diamond D und Pete Rock. Und wo wir schon ein wenig zurückblicken, passt auch gut „Back To The Old School“ ins Bild. Die Fahrtrichtung wird bereits im Titel klar, dazu gibt es Drums zum Verlieben.
Neben dem bereits erwähnten Kayo finden sich noch weitere, internationale Features auf „Umberto Ghetto“ wieder. Der aus dem Senegal kommende Rapper Baay Sooley etwa, sowie die Detroiter Buff1 und 14KT. Gerade der Track mit den US-Amerikanern hinterlässt dabei deutliche Spuren in Form von überhartem Kopfnicken. In Flips Worten formuliert: „wäre HipHop eine Kirche, dann wärt ihr jetzt unsere Firmlinge“. Fast erwartungsgemäß großartig hingegen der Auftritt von Münchens Rotwild Fiva. Nach der unglaublich guten Zusammenarbeit für deren letztes Album, wird nun ein clubtaugliches Brett übers Weggehen geschustert, bei dem Beide zur Höchstform auflaufen. Heimgehen ist nicht, zumal die abschließenden zwei Tracks ebenfalls Gehör finden sollten.
Nachdem bereits Skero mit seiner Soloplatte letztes Jahr begeistern konnte, schafft es nun auch Flip mit „Umberto Ghetto“, das längst überfällige Soloalbum an den Start zu bringen. Dass dabei auf altbekannte Dinge wert gelegt wird, unterstreicht letztlich, wie wertvoll Erfahrung, Souveränität und natürlich jede Menge Leidenschaft für einen Langspieler sein können. Da darf man dann auch zum Schluss ruhigen Gewissens den Pressetext zitieren; „Umberto Ghetto“ ist klassische Rapmusik wie sie sein sollte: herausragende Beats, clevere Lyrics, hohe Musikalität, Abwechslung und Selbstdistanz.