Blumio – „Tokio Bordell“ (Review)

Es gab eine Zeit, da war Hip Hop geradezu langweilig und man fühlte sich regelrecht dazu gedrängt, sich dem allgegenwärtigen Straßenrap hinzugeben. Und dann tauchte inmitten dieser kargen Umgebung ein Düsseldorfer Rapper japanischer Abstammung auf, imitierte seine Lieblingsrapper grandios und brachte damit den so vermissten frischen Wind in die ganze Sache. Lange wurde ebendieser Künstler allein darauf reduziert, doch spätestens seit dem letzten Jahr weiß auch die Freundin deines Freundes Bescheid wer Blumio ist und was er, außer imitieren, noch so alles kann. Das „Yellow Album“ bot illustren Humor, doppelten Boden und schlicht brillante Unterhaltung, die kreativer kaum sein hätte können und forderte von Seiten der Hörerschaft lediglich die richtige Stimmung ein, um sich solch ein massives Werk der Doppeldeutigkeit und verwinkelten Aussagen genüsslich in den Gehörgang zu blasen.

Und nun, nach gerade einmal etwas über einem Jahr, ist Blumio wieder da und veröffentlicht über sein Label Japsensoul 20 neue Stücke, davon drei Bonus Tracks, unter dem vielsagenden Albumtitel „Tokio Bordell“. Viel verändert hat sich in dieser Zeit auf den ersten Blick nicht. Blumio ist noch immer der schräge Vogel, der vor keinem Thema zurückschreckt, Don Tone (aka Rusbeh) noch immer der Mann für die Produktionen und der Käufer derjenige, der gespannt die CD in die Anlage legt um endlich zu erfahren, was für neue Irrgarten es zu durchlaufen, welche Doppeldeutigkeiten es zu verstehen gilt. Das Ganze verpackt im schicken Digipak mit bunt gestaltetem Booklet und separatem Songbuch, macht dabei im Vorfeld einen außerordentlich sauberen Eindruck.

„Tokio Bordell“ selbst startet nach Intro mit der ersten Single-Auskopplung „Eberhard“, einer humorvollen Geschichte über (falsche) Internetbekannt- und Liebschaften, die nicht nur sehr aktuell wirkt, sondern ganz nebenbei auch ein wenig die Jugend auf die Schippe nimmt. Zeitlos hingegen die Ode an den Waschbärbauch. Wer Blumios „Streichel Meinen Bauch“ lauscht, der verliert binnen Sekunden den Wunsch nach Sixpack und gibt sich zufrieden mit seinem Bäuchlein. Komplettiert wird der gelungene Start durch „Grenzenlos“, das Jessica Jean als Feature aufweist, die im Laufe des Albums gleich mehrmals als einziger Gastakteur in Erscheinung tritt.

Im weiteren Verlauf des Albums gibt es „Der Ehrlichste Song Der Welt“, bei dem Blumio ganz ohne Scham und völlig offen zu einem spricht. Den hervorragend funktionierenden Storyteller „Hab Keine Angst“, „So Geht Hip Hop Heute“ und „Die Welt Ist Schwul“, eines eben dieser Stücke, die weit mehr zu sagen vermögen, als man es beim bloßen Zuhören der Texte wahrnehmen kann. Wem das zu hoch ist, dem sei „Sie Ist Nicht Du“ ans Herz gelegt, denn Blumio, der kann auch über Liebe sprechen ohne langweilig zu klingen. Und im Gegensatz zum „Yellow Album“ wirkt „Tokio Bordell“ gleich noch ein gutes Stück musikalischer, weiterentwickelter und überlegter, kurzum besser.

Man attestiert gerade Rappern gerne einmal kreativen Stillstand, spricht von unerreichbaren Debüts und mäßigen Nachfolge-Alben und dem steten Wiederholen und neu aufsetzen alter Geschichten. Und hat damit nicht selten Recht. In Blumios Falle jedoch zeigt sich ein gänzlich anderes Bild: die Beats sind nach wie vor kreativ, aber leichter verträglich (ob es an der Tatsache liegt, dass vieles live eingespielt wurde?). Blumio nach wie vor intelligent witzig und mit grenzenlosem Themenkomplex ausgestattet, aber noch ein Stück gereifter, als noch auf „Yellow Album“. Und „Tokio Bordell“ selbst ist irgendwie immer noch grandios anders als der Großteil vom Rest plus dem ein oder anderen Song mit Chart-Potenzial. Blumio, ein einzigartiger Akteur, der mit jedem Album seinen Weg geht und dieser, so scheint es als Außenstehender, ist goldrichtig. Für ihn, für uns und überhaupt für die Musik.

Blumio – „Tokio Bordell“ (Review)

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